Oma Schmidt's Garten

 Endlich komme ich wieder dazu, eine alte Kollegin und Freundin zu besuchen. Wir haben gerade im kleinen, gemütlichen Restaurant Pasta genossen. Dazu gab’s je ein Glas feinherben Weißwein. Ich darf bei ihr übernachten und wir schlendern auf dem dunklen Trottoir zurück zu ihrem Heim. Im Lichtschein der Straßenbeleuchtung entdecke ich eine Rarität eines blühenden Vorgartens zwischen den modern gestalteten Einfamilienbauten. Wie magnetisch angewurzelt bleibe ich stehen und bestaune jede Einzelheit vor dem alten Haus. Sogar kleine Gartenzwerge konnte ich zwischen Blumenstauden ausfindig machen. Ah, die gibt’s noch! Ich dachte immer, sie seien schon längst ausgestorben…

 

Meine Freundin Caro verkündet lächelnd mit Stolz: „ Hier wohnt Frau Schmidt. Alle nennen sie Oma Schmidt.“ Während wir vor dem Holzzaun stehen und den Garten bewundern erzählt mir Caro kleine, herzliche Anekdoten von Oma Schmidt. Der Schulweg führe hier vorbei und so würden immer einige Kinder vor Oma Schmidts Haus stehen bleiben, um aus den Entdeckungen kleine Geschichtsabenteuer zu erleben. Oma Schmidt würde des Öfteren mit Obst und Gemüse herauskommen, um sie dann großzügig an die Kinder zu verteilen (sie hat hinter dem Haus noch einen üppigen Nutzgarten). Sie habe mehr als genug und sie liebe es, Freude zu verbreiten. Den Garten pflege sie täglich selbst.

 

Während Caro diese Geschichten erzählt, wird mir ganz warm ums Herz. Ein kleines, altes Steinhaus mit Holzelementen zwischen den modernen Neubauten. So ein schöner, blühender Vorgarten zwischen den modernen Kiesbeeten. Ein bisschen Dorfflair inmitten einer großen Kreisstadt. Dazu noch eine aktive, kontaktfreudige, herzliche Oma.

 

Mittlerweile ist Oma Schmidt über 80 Jahre alt. Leider kann sie nicht mehr laufen. Sie hat das Glück, von warmherzigem Familienzusammenhalt umgeben zu sein. Ihre Verwandten unterstützen sie im Haus und bei der Gartenpflege und schieben sie bei Spaziergängen im Rollstuhl. Welch‘ würdiger Lebensabend. Ich freue mich riesig für sie.

 

Von Jana für Caro und Oma Schmidt

 (Jahr 2020)

 

Epilog: Einige Monate später besuchte ich mal wieder Caro. Als wir gerade von der Arbeit bei ihr ankamen und aus dem Auto stiegen, sah ich eine alte Dame auf der Straße, die von einer jüngeren im Rollstuhl geschoben wurde. Sie beschauten sich gerade die Blumenkästen an den hohen Mehrfamilienhäusern und erzählten angeregt miteinander. Caro wandte sich mir zu: „Das ist Oma Schmidt.“

(Wow. Was für ein Moment. Das wäre der perfekte Abschluss eines Films…)